Die Pflichten eines Fremdgeschäftsführers in einer GmbH sind komplex und haftungsträchtig. Besonders wichtig sind die Interessenwahrungspflicht und die Sorgfaltspflicht, die sich aus dem gesetzlichen Leitbild des Geschäftsführers (§ 43 GmbHG) ergeben. Wer als Fremdgeschäftsführer tätig ist, sollte genau wissen, wie diese Pflichten rechtlich verankert sind, wie sie in der Praxis umgesetzt werden und welche typischen Haftungsrisiken bestehen.
Rechtliche Grundlagen der Geschäftsführerpflichten
Die zentralen Pflichten ergeben sich aus:
- § 43 Abs. 1 GmbHG: Pflicht zur Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes
- § 43 Abs. 2 GmbHG: Haftung für Pflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft
- Allgemeine gesellschaftsrechtliche Grundsätze wie das Gebot der Interessenwahrung.
Diese Grundsätze gelten für alle Geschäftsführer – für Fremdgeschäftsführer sogar in besonderem Maße.
Was bedeutet die Interessenwahrungspflicht?
Die Interessenwahrungspflicht verpflichtet den Geschäftsführer, ausschließlich im Interesse der Gesellschaft zu handeln. Daraus ergeben sich u.a. folgende Verbote und Gebote:
- Verbot von Eigengeschäften: Der Geschäftsführer darf keine Geschäfte auf Kosten der Gesellschaft betreiben, um sich selbst oder nahestehenden Personen Vorteile zu verschaffen.
- Verbot von Wettbewerb (§ 88 AktG analog): Der Geschäftsführer darf kein eigenes Unternehmen gründen oder leiten, das mit der Gesellschaft in Wettbewerb steht.
- Neutralitätspflicht bei Gesellschafterstreit: Der Geschäftsführer darf sich nicht einseitig auf die Seite einzelner Gesellschafter schlagen.
Sorgfaltspflicht nach § 43 Abs. 1 GmbHG
§ 43 Abs. 1 GmbHG bestimmt, dass der Geschäftsführer „die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ anzuwenden hat. Heute wird dies regelmäßig als Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters verstanden. Die Sorgfaltspflicht umfasst insbesondere:
- Organisation und Überwachung: Einrichtung eines funktionierenden Controllings.
- Informationspflicht: Beschaffung aller relevanten Daten vor geschäftlichen Entscheidungen.
- Überwachung von Mitarbeitern: Der Geschäftsführer muss dafür sorgen, dass auch Mitarbeiter rechtmäßig handeln.
- Einhaltung gesetzlicher Vorschriften: z. B. Steuer- und Sozialversicherungspflichten.
Business Judgement Rule
In der Praxis stellt sich häufig die Frage: Wann haftet der Geschäftsführer für Fehlentscheidungen? Die sog. Business Judgement Rule (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG analog) schützt den Geschäftsführer, wenn er bei unternehmerischen Entscheidungen:
- auf Grundlage angemessener Informationen,
- zum Wohle der Gesellschaft,
- frei von Sonderinteressen handelt.
Fehlerhafte Entscheidungen sind dadurch nicht automatisch haftungspflichtig – entscheidend ist der sorgfältige Entscheidungsprozess.
Ein Geschäftsführer sollte aber alle verfügbaren Informationsquellen sowohl tatsächlicher als auch rechtlicher Art ausschöpfen, um die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abzuschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung zu tragen. Nur wenn diese Anforderungen erfüllt sind, kann unternehmerisches Ermessen ausgeübt werden.
Handlungspflichten bei mehreren Geschäftsführern
Wenn mehrere Geschäftsführer zur Geschäftsführung einer Gesellschaft berufen sind, ist jeder Geschäftsführer verpflichtet, die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden und haftet solidarisch für Schäden, die durch die Verletzung ihrer Pflichten entstehen.
Besondere Pflichten bei mehreren Geschäftsführern
In einer Gesellschaft ohne vorgesehene Ressortverteilung haben alle Geschäftsführer grundsätzlich die Pflicht zur Geschäftsführung im Ganzen. Dies bedeutet, dass jeder Geschäftsführer für die ordnungsgemäße Führung der Geschäfte der Gesellschaft verantwortlich ist und Überwachungspflichten gegenüber den Mitgeschäftsführern hat. Die Geschäftsführer müssen sich gegenseitig über alle wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft informieren, um sicherzustellen, dass alle Geschäftsführer in der Lage sind, ihre Überwachungs- und Kontrollpflichten zu erfüllen. Dies umfasst auch die Pflicht, auf Fehlentwicklungen oder Unregelmäßigkeiten zu reagieren. Insgesamt müssen die Geschäftsführer einer Gesellschaft ohne Ressortverteilung eng zusammenarbeiten und sicherstellen, dass alle relevanten Informationen ausgetauscht werden, um die ordnungsgemäße Führung der Gesellschaft zu gewährleisten.
Aber auch im Falle der Ressortaufteilung bleibt die Gesamtverantwortung der Geschäftsführung dennoch bestehen. Dies bedeutet, dass die Geschäftsführer weiterhin eine Überwachungspflicht haben und sicherstellen müssen, dass die Geschäftsführungsaufgaben ordnungsgemäß ausgeführt werden.
Typische Haftungsrisiken für Fremdgeschäftsführer
Fremdgeschäftsführer haften gegenüber der Gesellschaft persönlich für Pflichtverletzungen
(§ 43 Abs. 2 GmbHG). Typische Haftungsfälle:
- Unterlassene Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen
- Überschreiten der Kompetenzen ohne Gesellschafterbeschluss
- Zahlungen nach Insolvenzreife (§ 15b InsO)
- Vernachlässigung von Überwachungs- oder Informationspflichten
Mitgeschäftsführer können auch für das Handeln eines anderen Geschäftsführers haftbar gemacht werden, wenn sie ihre eigenen Pflichten zur Überwachung und Kontrolle vernachlässigen. Nach § 43 GmbHG haften Geschäftsführer solidarisch für den Schaden, der der Gesellschaft durch die Verletzung ihrer Obliegenheiten entsteht.
Auch wenn eine interne Aufteilung der Geschäftsbereiche erfolgt, entbindet dies die Geschäftsführer nicht von ihrer Verantwortung. Jeder Geschäftsführer ist verpflichtet, die ordnungsgemäße Führung der Geschäfte zu überwachen und bei Anhaltspunkten für Pflichtverletzungen einzugreifen.
Fazit
Die Interessenwahrungs- und Sorgfaltspflichten von Fremdgeschäftsführern sind umfassend gesetzlich geregelt und durch die Rechtsprechung konkretisiert. Ihre Einhaltung ist entscheidend, um die ordnungsgemäße Führung der Gesellschaft sicherzustellen und Haftungsrisiken zu minimieren. Auch die Ausgestaltung des Geschäftsführeranstellungsvertrags kann dabei eine besondere Bedeutung zukommen. Hierbei sollte auf
- Haftungsbeschränkungen,
- Freistellungsklauseln,
- Abschluss einer D&O-Versicherung durch die Gesellschaft,
- Entlastungsregelungen oder auch
- Verjährungsverkürzungen
geachtet werden. Eine fundierte Kenntnis der rechtlichen Grundlagen, gute Organisation und der Einsatz von Absicherungen tragen wesentlich dazu bei, Risiken bei dem Fremdgeschäftsführer zu minimieren.