Frank Lienhard, 06.08.2025

Haftungsrisiken bei mehreren GmbH-Geschäftsführern: Bedeutung der Geschäftsverteilung

Wenn eine GmbH mehrere Geschäftsführer hat, droht im Haftungsfall jedem einzelnen Geschäftsführer die persönliche Inanspruchnahme auf den vollen Schadensbetrag – unabhängig davon, ob er den Schaden direkt verursacht hat. Das Landgericht Stuttgart (Urteil vom 19.02.2025, Az. 49 O 13/23) hat sich nun mit der Frage befasst, ob und inwieweit die internen Regelungen zur Ressortverteilung auch bei der deliktischen Haftung zwischen den Geschäftsführern Bedeutung entfalten.

Deliktische Haftung eines Geschäftsführers

Die deliktische Haftung eines Geschäftsführers bezieht sich auf seine persönliche zivilrechtliche Haftung für unerlaubte Handlungen im Sinne der §§ 823 ff. BGB. Im Gegensatz zur haftungsrechtlichen Verantwortung aus dem GmbHG (§ 43 Abs. 2 GmbHG), die sich auf Pflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft bezieht, betrifft die deliktische Haftung in der Regel eine Verantwortlichkeit gegenüber Dritten.

Gesamtschuldnerische Haftung im Innen- und Außenverhältnis

Nach § 43 Abs. 2 GmbHG haften mehrere Geschäftsführer einer GmbH im Innenverhältnis als Gesamtschuldner. Das bedeutet: Die Gesellschaft kann sich einen Geschäftsführer aussuchen und ihn allein auf den gesamten Schaden in Anspruch nehmen, selbst wenn andere Geschäftsführer ebenfalls mitverantwortlich sind.
Diese Haftung trifft Geschäftsführer nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern auch gegenüber Dritten, wie z. B. dem Finanzamt oder Sozialversicherungsträgern. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Geschäftsführer für das betroffene Ressort zuständig war oder nicht.

Regress und interne Ausgleichsansprüche unter Geschäftsführern

Im Innenverhältnis zwischen mehreren Geschäftsführern greift § 426 BGB: Danach kann der in Anspruch genommene Geschäftsführer von seinen Mitgeschäftsführern einen Ausgleich verlangen, abhängig vom jeweiligen Verschulden und der internen Aufgabenverteilung.
Wichtig: Selbst bei einer wirksamen Geschäftsverteilung besteht eine Überwachungspflicht der nicht ressortzuständigen Geschäftsführer – also eine Pflicht zur allgemeinen Kontrolle der Geschäftsführung auch außerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs.

Urteil des LG Stuttgart: Klare Ressortverteilung schützt – auch bei deliktischer Haftung

Das LG Stuttgart stellt klar: Die Grundsätze der Ressortverantwortung, die für die Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG entwickelt wurden, gelten auch bei deliktischen Ansprüchen unter Geschäftsführern. Wer also für einen bestimmten Bereich verantwortlich ist, trägt auch in Haftungsfragen die Hauptverantwortung – vorausgesetzt, die Geschäftsverteilung ist klar, dokumentiert und gelebte Praxis.
Das Gericht verneint ausdrücklich eine Haftungsverlagerung auf nicht zuständige Geschäftsführer, wenn eine wirksame Ressortverteilung vorliegt und keine Pflichtverletzung in deren Bereich besteht.

Haftung trotz Ressortverteilung

Allerdings nennt das Gericht auch Ausnahmefälle, in denen auch dem nicht zuständigen Geschäftsführer ein Haftungsanteil zugerechnet werden kann:

Beihilfe oder Anstiftung

Dies ist bspw. der Fall, wenn der Mit-Geschäftsführer als Gehilfe teilnimmt (z. B. durch Mitwirkung oder stillschweigende Billigung).

Verdichtete Aufsichtspflicht bei ressortübergreifenden Gefahrenlagen

Wird beispielsweise eine existenzgefährdende Problematik erkannt, die nicht klar einem Ressort zugeordnet ist (z. B. Korruptions- oder Betrugsfälle), liegt eine verschärfte Aufsichtspflicht vor – und damit potenziell eigene Haftung des Überwachungspflichtigen.

Deutliches Informationsgefälle oder ungeeignete Zuständigkeit

Wenn dem leitenden Geschäftsführer erkennbar eine Informationsunterlegenheit zugemutet wurde oder der zuständige Geschäftsführer deutlich ungeeignet erscheint, kann vom Mit-Geschäftsführer verlangt werden, gezielt zu intervenieren. Bleibt er untätig, kann dies zur Haftung führen.

Praxistipp: Haftung durch klare Geschäftsverteilung minimieren

Für GmbH-Geschäftsführer ist es essenziell, eine klare, schriftlich dokumentierte Geschäftsverteilung zu vereinbaren und diese auch in der Praxis konsequent umzusetzen. Nur so lässt sich im Haftungsfall ein gezielter Rückgriff vermeiden und der interne Regress rechtssicher begrenzen.

Fazit:

Das Urteil des LG Stuttgart betont die enorme Bedeutung der ressortbezogenen Organisation der Geschäftsführung. GmbH-Geschäftsführer sollten nicht nur auf eine rechtssichere Verteilung der Zuständigkeiten achten, sondern auch deren praktische Umsetzung regelmäßig überprüfen – zum Schutz vor persönlicher Haftung.

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