Frank Lienhard - Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Certified Valuation Analyst (EACVA)

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Frank Lienhard

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Certified Valuation Analyst (EACVA)

Frank Lienhard, 15.10.2024

Rückforderung von Schenkungen bei Pflegekosten: Was Kinder von pflegebedürftigen Eltern beachten sollten

Viele Eltern entscheiden sich aus erbschaftsteuerlichen Gründen, Vermögenswerte schon zu Lebzeiten an ihre Kinder zu übertragen. Doch wenn der Elternteil pflegebedürftig wird und die eigenen Mittel nicht ausreichen, kann das Sozialamt diese Schenkungen zurückfordern, um die Pflegekosten zu decken. Denn Eltern haften nicht nur für ihre minder- und volljährigen Kinder. Eine grundsätzliche Unterhaltsverpflichtung besteht auch in umgekehrter Richtung: Kinder sind gegenüber ihren Eltern verpflichtet.

Hier erfahren Sie, worauf Familien bei lebzeitigen Vermögensübertragungen achten sollten, um böse Überraschungen zu vermeiden.

Schenkungen aus erbschaftsteuerlichen Gründen – eine beliebte Strategie

Vermögensübertragungen zu Lebzeiten sind eine gängige und sicher auch sinnvolle Strategie, um die Erbschaftsteuer zu optimieren bzw. zu minimieren. Durch gezielte Schenkungen können Freibeträge alle zehn Jahre neu ausgeschöpft und so die Steuerlast für das Erbe erheblich reduziert werden. Doch wenn später eine Pflegebedürftigkeit der Eltern eintritt, kann es zu einer ungewollten Rückforderung durch das Sozialamt kommen, sofern die Schenkung innerhalb der letzten zehn Jahre erfolgt ist.

Rückforderung von Schenkungen bei Pflegekosten: Die Zehnjahresfrist

Nach dem deutschen Sozialrecht kann das Sozialamt Schenkungen zurückfordern, wenn die Pflegekosten eines Elternteils nicht durch dessen Rente, Pflegeversicherung oder sonstiges Vermögen gedeckt werden können. Diese Rückforderung ist möglich, wenn die Schenkung weniger als zehn Jahre zurückliegt. Das bedeutet: Schenkungen, die vorgenommen wurden, um Erbschaftsteuer zu sparen, können innerhalb dieser Frist vom Sozialamt beansprucht werden, um die Kosten für das Pflegeheim zu decken, wenn das Sozialamt für die Heimkosten eingetreten ist.

Schenkung außerhalb der Zehnjahresfrist

Falls die Schenkung mehr als zehn Jahre zurückliegt, greift das Sozialamt nicht mehr darauf zu. Für viele Familien ist es daher wichtig, diese Zehnjahresfrist bei der Planung von Vermögensübertragungen zu berücksichtigen. Es geht somit auch darum rechtzeitig Vermögensübertragungen anzugehen.

Angemessener Selbstbehalt des Kindes: Wie viel bleibt übrig?

Sollte das Sozialamt eine Schenkung zurückfordern, können sich Kinder auf ihren „angemessenen Selbstbehalt“ berufen. Das bedeutet, dass das Kind das Geschenk nur dann zurückgeben muss, wenn dadurch sein eigener Lebensunterhalt nicht gefährdet wird. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Az. X ZR 14/23) stellt klar, dass die gesetzliche Einkommensgrenze von 100.000 €, die durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz im Unterhaltsrecht eingeführt wurde, hier keine Rolle spielt.
Der Selbstbehalt richtet sich nach den allgemeinen familienrechtlichen Maßstäben. Kinder können also sicherstellen, dass sie genügend Einkommen für ihren eigenen Lebensunterhalt behalten, bevor sie zur Rückgabe des Geschenks verpflichtet sind.

Steuerliche Vorteile vs. finanzielle Risiken: Was ist wichtiger?

Eltern und Kinder müssen bei lebzeitigen Schenkungen die steuerlichen Vorteile gegen die möglichen finanziellen Risiken abwägen. Schenkungen sind aus steuerlicher Sicht sinnvoll, da hohe Vermögen über mehrere Jahre verteilt und Freibeträge mehrfach genutzt werden können. Allerdings besteht das Risiko, dass diese Schenkungen später zurückgefordert werden, wenn die Eltern pflegebedürftig werden und die eigenen Mittel nicht ausreichen.

Reduzierung oder Verminderung des Rückgriffrisikos

Neben der rechtzeitigen Übertragung der Immobilie lässt sich das Risiko des Rückgriffs aber auch bei einer Übertragung innerhalb der Zehnjahresfrist noch reduzieren bzw. vermeiden. Der Ausgestaltung des Übertragungsvertrags kommt dabei u.a. eine besondere Bedeutung zu.

Fazit: Sorgfältige Planung ist entscheidend

Wer Vermögenswerte zu Lebzeiten an seine Kinder überträgt, sollte sich nicht nur über die erbschaftsteuerlichen Vorteile im Klaren sein, sondern auch die potenziellen Auswirkungen einer späteren Pflegebedürftigkeit berücksichtigen. Die Zehnjahresfrist spielt dabei eine zentrale Rolle. Für den Fall, dass die Frist nicht mehr ausreicht, sollten zur Reduzierung bzw. Verminderung des Rückgriffrisikos bei der Übertragung verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden. Eine fundierte rechtliche und steuerliche Beratung ist unerlässlich, um den richtigen Zeitpunkt für Schenkungen bzw. deren Ausgestaltung zu wählen und finanzielle Risiken zu minimieren.
Gerne beraten wir Sie, um sicherzustellen, dass Ihre Vermögensübertragungen sowohl steuerlich vorteilhaft als auch rechtlich sicher sind.

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