Matthias Kühne, 10.11.2021

Eintrittsvoraussetzungen in die gerichtliche Eigenverwaltung – Neuerungen zum 01.01.2021

Die Zugangsvoraussetzungen für eine gerichtliche Eigenverwaltung haben sich seit dem 01.01.2021 deutlich verschärft. Die Eigenverwaltung bietet Unternehmen die Möglichkeit, sich selbst in einem gerichtlichen Verfahren zu sanieren. Insbesondere dann, wenn eine außergerichtliche Sanierung oder eine Restrukturierung nach dem StaRUG wegen eingetretener Insolvenzreife nicht mehr möglich ist, bietet die Eigenverwaltung ein probates Mittel, eine Eigensanierung zu initiieren. Ebenso, wenn für die Umsetzung der Neuausrichtung die Nutzung der insolvenzrechtlichen Mechanismen, wie beispielsweise die Möglichkeit zu sofortigen Vertragsbeendigung, notwendig ist.

Alte Rechtslage

Bislang war nach der gesetzlichen Intention eine Eigenverwaltung generell möglich, es sei denn die Eigenverwaltung war mit Nachteilen für die Gläubiger verbunden. Solche Nachteile mussten von den Gläubiger dargelegt und im Zweifel auch glaubhaft gemacht werden. In der Rechtsprechung hatte die grundsätzliche Vermutung zugunsten der Eigenverwaltung Einschränkungen erfahren. Der Gesetzgeber hat zum 01.01.2021 reagiert und die Eintrittsvoraussetzungen verschärft.

Neue Rechtslage ab 01.01.2021

Eine Anordnung der Eigenverwaltung setzt nach § 270a InsO nunmehr voraus, dass

  • ein entsprechender Antrag vom Schuldner gestellt wird und dem Antrag eine Eigenverwaltungsplanung beigefügt ist, welche folgende Punkte umfasst:
  • ein Finanzplan, der den Zeitraum von sechs Monaten abdeckt und eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthält, durch welche die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes und die Deckung der Kosten des Verfahrens in diesem Zeitraum sicherstellen soll,
  • ein Konzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens, welches auf Grundlage einer Darstellung von Art, Ausmaß und Ursachen der Krise,
  • das Ziel der Eigenverwaltung und die Maßnahmen beschreibt, welche zur Erreichung des Ziels in Aussicht genommen werden,
  • eine Darstellung des Verhandlungstandes mit den Gläubigern, den am Schuldner beteiligten Personen und Dritten zu den in Aussicht genommenen Maßnahmen,
  • eine Darstellung der Vorkehrungen, die der Schuldner getroffen hat, um seine Fähigkeit sicherzustellen, insolvenzrechtliche Pflichten zu erfüllen, und
  • eine begründete Darstellung etwaiger Mehr- oder Minderkosten, die im Rahmen der Eigenverwaltung im Vergleich zu einem Regelverfahren und im Verhältnis zur Insolvenzmasse voraussichtlich anfallen werden.

Des Weiteren hat der Schuldner Folgendes zu erklären:

  • ob, in welchem Umfang und gegenüber welchen Gläubigern er sich mit der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Pensionszusagen oder dem Steuerschuldverhältnis und gegenüber Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten in Verzug befindet,
  • ob und in welchen Verfahren zu seinen Gunsten innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Antrag Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach diesem Gesetz oder nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz angeordnet wurden und
  • ob er für die letzten drei Geschäftsjahre seinen Offenlegungspflichten, insbesondere nach den §§ 325 – 328 oder 339 des Handelsgesetzbuches nachgekommen ist.
  • zugunsten des Schuldners in den letzten drei Jahren vor der Stellung des Antrags Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach diesem Gesetz oder nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz angeordnet worden sind oder
  • der Schuldner in einem der letzten drei Jahre vor der Antragstellung gegen die Offenlegungspflichten, insbesondere nach den §§ 325 – 328 oder 339 des Handelsgesetzbuchs verstoßen hat,

erfolgt die Bestellung des vorläufigen Sachwalters nur, wenn trotz dieser Umstände zu erwarten ist, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger auszurichten.

Einem vorläufigen Gläubigerausschuss ist vor Erlass der Entscheidung nach Absatz 2 Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Ohne Äußerung des Gläubigerausschusses darf eine Entscheidung nur ergehen, wenn seit der Antragstellung zwei Werktage vergangen sind oder wenn offensichtlich mit nachteiligen Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners zu rechnen ist, die sich nicht anders als durch Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters abwenden lassen. An einen die vorläufige Eigenverwaltung unterstützenden einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses ist das Gericht gebunden. Stimmt der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig gegen die vorläufige Eigenverwaltung, unterbleibt die Anordnung.

Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung

Das Gericht ordnet die (vorläufige) Eigenverwaltung an und bestellt einen vorläufigen Sachwalter, auf den die §§ 274 und 275 anzuwenden sind (vorläufige Eigenverwaltung), wenn

  • die Eigenverwaltungsplanung des Schuldners vollständig und schlüssig ist und
  • keine Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass die Eigenverwaltungsplanung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Tatsachen beruht.

Weist die Eigenverwaltungsplanung behebbare Mängel auf, kann das Gericht die vorläufige Eigenverwaltung einstweilen anordnen; in diesem Fall setzt es dem Schuldner eine Frist zur Nachbesserung, die 20 Tage nicht übersteigt.

Sind nach dem gemäß § 270a Absatz 1 Nr. 1 übermittelten Finanzplan die Kosten der Eigenverwaltung und der Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes nicht gedeckt, übersteigen die nach § 270a Absatz 1 Nr. 5 ausgewiesenen voraussichtlichen Kosten der Eigenverwaltung in wesentlicher Weise die voraussichtlichen Kosten des Regelverfahrens oder sind Umstände bekannt, aus denen sich ergibt, dass

  • Zahlungsrückstände gegenüber Arbeitnehmern oder erhebliche Zahlungsrückstände gegenüber den weiteren in § 270a Absatz 2 Nr. 1 genannten Gläubigern bestehen,
  • zugunsten des Schuldners in den letzten drei Jahren vor der Stellung des Antrags Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach diesem Gesetz oder nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz angeordnet worden sind oder
  • der Schuldner in einem der letzten drei Jahre vor der Antragstellung gegen die Offenlegungspflichten, insbesondere nach den §§ 325 – 328 oder 339 des Handelsgesetzbuchs verstoßen hat,

erfolgt die Bestellung des vorläufigen Sachwalters nur, wenn trotz dieser Umstände zu erwarten ist, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger auszurichten.

Einem vorläufigen Gläubigerausschuss ist vor Erlass der Entscheidung nach Absatz 2 Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Ohne Äußerung des Gläubigerausschusses darf eine Entscheidung nur ergehen, wenn seit der Antragstellung zwei Werktage vergangen sind oder wenn offensichtlich mit nachteiligen Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners zu rechnen ist, die sich nicht anders als durch Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters abwenden lassen. An einen die vorläufige Eigenverwaltung unterstützenden einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses ist das Gericht gebunden. Stimmt der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig gegen die vorläufige Eigenverwaltung, unterbleibt die Anordnung.

Fazit

Die Voraussetzungen für die Eigenverwaltung haben sich deutlich verschärft. Dies ist jedoch grundsätzlich zu begrüßen. Nur ein gut vorbereitetes und mit den wesentlichen Stakeholdern abgestimmtes Eigenverwaltungsverfahren hat Aussicht auf Erfolg. Ein unter den neuen gesetzlichen Voraussetzungen bewilligtes Eigenverwaltungsverfahren dürfte damit einen (noch) höheren Vertrauensvorschuss bei den Verfahrensbeteiligten genießen. Ziel ist es, der Eigenverwaltung gleichsam ein Qualitätssiegel zu verleihen um die Akzeptanz am Markt zu stärken und gleichzeitig unseriösen oder schlecht geplanten und vorbereiteten Verfahren erst gar nicht den Verfahrenseintritt zu ermöglichen.

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