Matthias Kühne, 04.05.2017

Neues Insolvenzanfechtungsrecht: Gravierende Änderungen bei der Vorsatzanfechtung

Die zum 5.4.2017 in Kraft getretene Gesetzesänderung verfolgt das Ziel, den Wirtschaftsverkehr von Rechtsunsicherheiten zu entlasten, die von der derzeitigen Praxis der Insolvenzanfechtung ausgehen. Es sei zunehmend beklagt worden, dass das geltende Insolvenzanfechtungsrecht, namentlich die Praxis der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO, den Wirtschaftsverkehr mit unverhältnismäßigen und unkalkulierbaren Risiken belastet.

Insbesondere sei problematisch für den Geschäftsverkehr, ob und unter welchen Umständen Zahlungserleichterungen das Risiko einer späteren Vorsatzanfechtung der erhaltenen Zahlung begründen.

Ferner würden die nach dem geltenden Recht eröffneten Möglichkeiten der Insolvenzanfechtung als nicht interessengerecht erscheinen. Dies betreffe vor allem die Anfechtung von Sicherungen und Befriedigungen, die ein Gläubiger in den letzten 3 Monaten vor der Stellung des Insolvenzantrags oder danach durch Zwangsvollstreckung erwirkt habe.

Ziel sei es, die Praxis der Vorsatzanfechtung für den Geschäftsverkehr kalkulier- und planbarer zu machen. Gläubiger, die an Schuldner Zahlungserleichterung gewährt haben, sollen künftig gewiss sein können, dass dies für sich genommen eine Vorsatzanfechtung nicht begründet.

Ferner soll die Verzinsungsfolge für Anfechtungsansprüche neu geregelt werden, um keinen Anreiz für eine vom Gesetzgeber unterstellte Verschleppung der Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen zu schaffen.

Vorsatzanfechtung § 133 InsO

Gravierende Änderungen sind für § 133 InsO vorgenommen. Hier wurden nach dem bisherigen Abs. 1 2 Absätze eingefügt, die folgenden Inhalt haben sollen:

„(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Abs. 1 Satz 1 4 Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zurzeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.“

Die wichtigste Änderung ist damit die Begrenzung des Anfechtungszeitraumes unter den Voraussetzungen des Abs. 1 auf 4 Jahre und die gesetzliche Vermutung, dass bei Anschluss einer Zahlungsvereinbarung die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit gerade nicht vorgelegen hatte.

Ebenso wird die Anfechtung kongruenter Handlungen im Rahmen des § 133 InsO erschwert, da nunmehr die Kenntnis von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit notwendig ist. Die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit genügt hier nicht.

Der bisherige Abs. 2 soll beibehalten werden und nunmehr zu Abs. 4 werden. Der bisherige Absatz 1 bleibt unverändert. Damit bleiben Bankrotthandlungen, Vermögensverschiebungen, anrüchige und einseitige Vertragsgestaltungen zulasten anderer Gläubiger weiterhin über 10 Jahre anfechtbar.

Bargeschäft § 142 InsO

Ebenfalls abgeändert wurde § 142, der bislang das Bargeschäft regelt. Dieser wurde wie folgt neu gefasst:

„§ 142 Bargeschäft
(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzung des §§ 133 Abs. 1-2 gegeben sind und der andere Teil erkennt, dass der Schuldner unlauter handelte.
(2) Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt.“

Fazit

Die Reform zielt insbesondere darauf ab, die Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO zu „entschärfen“. Kritisch ist allerdings anzumerken, dass die für den neuen § 133 Abs. 3 eingeführte Vermutungsregelung diametral der Lebenserfahrung widerspricht und im Übrigen in den Fällen, in denen Zahlungserleichterungen gewährt werden, üblicherweise auch sonstige Indizien für eine Zahlungsunfähigkeit bzw. drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegen, sodass durchaus fraglich erscheint, ob die Vermutungsregelung in der Praxis weiterhelfen wird.

Die Änderung des §§ 142 zielt darauf ab, einen bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausch von einer Vorsatzanfechtung auszunehmen und dadurch unter anderem auch Sanierungsmaßnahmen zu erleichtern.

Allerdings steht hier in Frage, ob das tatsächlich mehr Rechtssicherheit mit sich bringen wird, da in den §§ 142 mit dem Begriff „unlauter“ ein unbestimmter, stark ausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriff eingeführt wurde.

Insbesondere für solche Schuldner, für die Insolvenzantragspflichten bestehen, stellt sich die Frage, ob nicht grundsätzlich von einer Unlauterkeit ihres Verhaltens auszugehen ist, wenn sie nach vom Gegner erkanntem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit weiter über die 3-Wochen-Frist hinaus Rechtsgeschäfte tätigen.

Im Übrigen bleibt abzuwarten, was von den derzeitigen Änderungsplänen schließlich gesetzt werden wird.

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