Frank Lienhard, 12.08.2025

Spekulationsgewinn bei teilentgeltlicher Übertragung einer Immobilie: Was Sie wissen müssen

Die Übertragung einer Immobilie innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist kann steuerliche Konsequenzen haben – insbesondere auch dann, wenn sie teilentgeltlich erfolgt. In solchen Fällen wird die Übertragung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufgeteilt. Der entgeltliche Anteil kann dabei zu einem steuerpflichtigen Spekulationsgewinn führen.

Hintergrund: Spekulationsfrist bei Immobilien

Der Verkauf von Immobilien aus dem Privatvermögen ist grundsätzlich steuerpflichtig, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung weniger als zehn Jahre liegen (§ 23 EStG). Ein Gewinn entsteht, wenn der Veräußerungserlös die anteiligen Anschaffungskosten übersteigt. Auch bei teilentgeltlichen Übertragungen, wie sie häufig im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge vorkommen, kann ein Spekulationsgewinn entstehen.

Beispiel aus der Praxis: Teilentgeltliche Übertragung

Ein aktueller Fall zeigt, wie eine solche Übertragung steuerlich behandelt wird:

  • Sachverhalt: Ein Vater erwarb 2014 eine Immobilie für 143.950 € und finanzierte den Kauf über ein Bankdarlehen. Die Immobilie wurde vermietet, und es wurden Abschreibungen geltend gemacht. Im Jahr 2019 übertrug er die Immobilie auf seine Tochter. Diese übernahm das noch valutierende Darlehen in Höhe von 115.000 €. Der Verkehrswert der Immobilie betrug zu diesem Zeitpunkt 210.000 €.
  • Bewertung durch das Finanzamt: Das Finanzamt stufte die Übertragung als teilentgeltlich ein. Der entgeltliche Anteil wurde anhand des Verhältnisses von Darlehensübernahme (115.000 €) zum Verkehrswert (210.000 €) berechnet, was einem Anteil von 54,76 % entspricht. Daraus ergab sich ein Spekulationsgewinn von rund 40.000 €, der im Einkommensteuerbescheid des Vaters berücksichtigt wurde.

Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH)

Der BFH (BFH v. 11.3.2025 – IX R 17/24) bestätigte die Auffassung des Finanzamts und wies die Klage des Vaters ab. Die wesentlichen Punkte der Entscheidung:

  1. Teilentgeltliche Übertragung: Die Übertragung wurde in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufgeteilt. Die Tochter erbrachte eine Gegenleistung in Höhe von 115.000 € (Darlehensübernahme), erhielt jedoch eine Immobilie mit einem Verkehrswert von 210.000 €.
  2. Aufteilung nach Verkehrswert: Der entgeltliche Anteil wurde im Verhältnis von Darlehensübernahme zu Verkehrswert berechnet (54,76 %). Die anteiligen Anschaffungskosten des Vaters (143.950 €) wurden entsprechend aufgeteilt, ebenso wie die Abschreibungen.
  3. Berechnung des Spekulationsgewinns: Daher waren vom Entgelt in Höhe von 115.000 € die ursprünglichen Anschaffungskosten (143.950 €) mit einem Anteil von 54,76 % (= 78.827 €) abzuziehen. Der Spekulationsgewinn erhöhte sich noch um die Abschreibungen der Jahre 2014 bis März 2019, die nach dem Gesetz hinzurechnen sind, so dass sich ein Spekulationsgewinn von rund 40.000 € ergab.
  4. Unbeachtlichkeit des Gesamterlöses: Entscheidend war nicht, dass der Veräußerungserlös (115.000 €) unter den ursprünglichen Anschaffungskosten (143.950 €) lag. Aufgrund der Aufteilung in entgeltliche und unentgeltliche Anteile waren die Anschaffungskosten nur anteilig anzusetzen.

Zusätzliche steuerliche Aspekte: Schenkungsteuer

Neben der Einkommensteuer kann bei teilentgeltlichen Übertragungen auch Schenkungsteuer anfallen, sofern dem Beschenkten weiteres Vermögen vom Schenker zugewendet wird bzw. wurde und der Freibetrag innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren überschritten wird.
Im beschriebenen Fall wurde der Tochter ein unentgeltlicher Anteil von 95.000 € (Verkehrswert 210.000 € abzüglich Darlehen 115.000 €) zugewendet. Dieser Betrag könnte schenkungsteuerpflichtig sein, sofern der Freibetrag von 400.000 € für Kinder innerhalb des 10-Jahres-Zeitraums überschritten wird.

Fazit:

Die Annahme, dass bei einer teilentgeltlichen Grundstücksübertragung mit einer Gegenleistung unterhalb der historischen Anschaffungskosten kein privater Veräußerungsgewinn entsteht, wurde durch die aktuelle Entscheidung des BFH beseitigt. Bei Gegenleistungen, gleich wie hoch, entsteht immer ein Veräußerungsgewinn, da die Anschaffungskosten nur i.H.d. entgeltlichen Teils angesetzt werden.

Grundstücksübertragungen, bei denen der Erwerber eine Gegenleistung erbringt (z. B. durch Übernahme bestehender Verbindlichkeiten), sollten möglichst erst nach Ablauf der zehnjährigen Spekulationsfrist gemäß § 23 EStG erfolgen. Dies gilt insbesondere auch für teilentgeltliche Übertragungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge, um die Entstehung eines steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns zu vermeiden.

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