Katja Huber, 02.08.2024

Arbeitszeiterfassung

Die Pflicht für Arbeitgeber, die täglichen Arbeitszeiten der bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer zu erfassen, steht spätestens seit dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) v. 13.09.2022, 1 ARB 22/21, – 1 ABR 22/21 – Das Bundesarbeitsgericht) fest. Eine entsprechende Gesetzesinitiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Neuregelung der Vorschriften zur Arbeitszeiterfassung aus April 2023 hat es bis heute nicht zu einem Gesetzesentwurf geschafft. Nachfolgend geben wir einen kurzen Überblick, was Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen bei der Arbeitszeiterfassung auch schon vor der Umsetzung eines Gesetzes beachten müssen.

Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit

Nach der Entscheidung des BAG sind Arbeitgeber verpflichtet, ein „System“ einzuführen und zu verwenden, mit dem Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeiten einschließlich Überstunden erfasst werden. Der Arbeitgeber kann die Aufzeichnung an die Beschäftigten delegieren, bleibt aber öffentlich-rechtlich für die Aufzeichnung verantwortlich und sollte aus diesem Grund in regelmäßigen Abständen die Umsetzung der Aufzeichnungspflicht kontrollieren.

Da die Einhaltung der Vorgaben zu den Pausenzeiten kontrollfähig sein muss, ist darüber hinaus auch die Lage der Pausen zu erfassen. Dies gilt jedenfalls bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden.

Die Erfassungspflicht gilt für alle Beschäftigten im Geltungsbereich des Arbeitszeitgesetzes, das unionskonform auszulegen ist. Hierzu gehören gem. § 2 Abs. 2 ArbZG alle Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten mit Ausnahme der gem. § 18 ArbZG bestimmten Personengruppen, so z.B. leitende Angestellte, Prokuristen, Fremdgeschäftsführer und Chefärzte. Diese Ausnahmen stehen auch nicht gem. Art. 17 Abs. 1 Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG im Widerspruch zum geltenden Unionsrecht.

Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne

Die arbeitsschutzrechtlichen Grenzen der Arbeitszeit ergeben sich insbesondere aus dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG), das der Umsetzung der Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG dient. Von der „Arbeitszeit“ im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zu unterscheiden ist, was als „Arbeitszeit“ im Zusammenhang mit Fragen der Vergütung und der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG zu verstehen ist. Bei den arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften zur Arbeitszeit geht es darum, den Gesundheitsschutz und die Arbeitssicherheit in Abgrenzung zur Erholungszeit zu gewährleisten. Sie betreffen Regelungen zur maximalen werktäglichen Arbeitszeit, Wochenarbeitszeit, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie zu Pausen.

Zur Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne gehören z.B. auch Zeiten des Bereitschaftsdienstes. Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten, um bei Bedarf sofort tätig werden zu können. Hier gelten besondere Arbeitszeitgrenzen nach § 7 ArbZG. Bei sog. Rufbereitschaft, ist im Einzelfall zu prüfen, ob Arbeitszeit im Sinne des ArbZG vorliegt.

Sind Dienstreisen bzw. Wegezeiten Teil der geschuldeten Tätigkeit, wie dies z.B. bei Lkw-Fahrern oder Beschäftigten eines ambulanten Pflegedienstes der Fall ist, sind diese Arbeitszeiten im Sinne des ArbZG. Nicht hierzu gehört grds. die Wegezeit des Arbeitnehmers zur Arbeit. Reine Dienst- und Wegezeiten, die anfallen, weil der Arbeitgeber die Beschäftigten anweist, eine bestimmte Aufgabe außerhalb des normalen Arbeitsortes zu erbringen, sind nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes – jedenfalls, wenn der Arbeitnehmer ein öffentliches Verkehrsmittel nutzt und ihm überlassen bleibt, wie er die Zeit nutzt (BAG, Urteil v. 11.07.2006, 9 AZR 519/05). Ob diese Rechtsprechung zu Reisezeiten aufgrund der Rechtsprechung des EuGH weiterhin Bestand haben kann, ist sehr umstritten, hier ist die Entwicklung in der Rechtsprechung zu beachten.

Fremdnützige Umkleidezeiten (z.B. Tragen von Dienstkleidung) und nachfolgende Wegezeiten auf dem Betriebsgelände müssen ebenfalls als Arbeitszeit erfasst werden.

Eine andere Frage ist, wie der Zeitaufwand für Rufbereitschaft, Reise- bzw. Wegezeiten oder Umkleidezeiten etc. vergütungsrechtlich zu behandeln ist; dies ergibt sich nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, dem einschlägigen Tarifvertrag oder einer etwaigen Betriebsvereinbarung.

Wie muss die Arbeitszeit erfasst werden?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil v. 14.05.2019 (C-55/18 CCOO) bereits gefordert, dass Arbeitgeber zur Einrichtung eines „objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems“ für die Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten verpflichtet sind.

Solange der Gesetzgeber nicht tätig geworden ist, gilt nach der Rechtsprechung des BAG (Beschluss v. 13.09.2022, 1 ABR 22/01, juris, Rn. 65ff), dass der Arbeitgeber ein Zeiterfassungssystem einzurichten und vorzuhalten hat, bei der Ausgestaltung besteht noch Spielraum. Die Zeiterfassung muss nicht zwingend elektronisch (z.B. per App oder mittels Zeiterfassung in einer Excel-Tabelle) erfolgen, Papierform genügt. Zu beachten ist, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in Bezug auf die Ausgestaltung des Zeiterfassungssystems hat.

Auf dem Markt findet man hierzu bereits ein großes Angebot an Vorlagen und Tools. Wer sich selbst eine (Excel-) Vorlage erstellen möchte, sollte jedenfalls die nachfolgenden Daten für jeden Arbeitnehmer erfassen (Beispiel):

Tabelle zur Arbeitszeiterfassung

Vertrauensarbeitszeit

Die Vereinbarung von einer Vertrauensarbeitszeit ist weiterhin möglich. „Vertrauensarbeitszeit bedeutet nur, dass der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, der betreffende Arbeitnehmer werde seine Arbeitspflicht in zeitlicher Hinsicht auch ohne Kontrolle erfüllen.“ (BAG, Urteil v. 23.09.2015, 5 AZR 767/13, juris; Rn. 31). Auch in diesem Falle müssen jedoch Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten beachtet werden und der Arbeitnehmer kann einen Anspruch auf Aushändigung der Arbeitszeitaufzeichnungen geltend machen. Eine Zeiterfassung sowie die Dokumentation derselben ist somit auch bei der Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit geboten.

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